„Fastnacht lebt davon, sich mit der Zeit zu bewegen“

Interview mit dem neuen Zunftmeister Timo Heckel, von Philipp Findling, Wochenblatt Singen

Singen. Nach über 30 Jahren mit Stephan Glunk an der Spitze der Poppele-Zunft hat diese seit Ende Juli mit Timo Heckel ein neues Oberhaupt. Was sich unter ihm verändern soll und ob er weiterhin Poppele bleibt, verrät er im Gespräch mit dem WOCHENBLATT.

Wochenblatt: Ende Juli wurden Sie bei der Mitgliederversammlung mit großer Mehrheit zum neuen Zunftmeister gewählt. Wann haben Sie denn selber von der frohen Kunde erfahren, dass Sie in die Fußstapfen von dem altehrwürdigen Stephan Glunk schlüpfen müssen oder werden?

Timo Heckel: Das war im Oktober, nach der Mottositzung in unserer Zunftstube. Nach der Sitzung hat mich Holger Marxer unter vier Augen in die Küche gebeten und dort fiel zum ersten Mal das Thema. Kurz darauf kam auch Stephan Glunk dazu, und er hat mir mit einem Augenzwinkern gesagt: „Des wird ebbs!“, was natürlich perfekt zum neuen Fasnets-Motto 2025 gepasst hat. Ich war ehrlich gesagt überrascht, aber auch ein bisschen geehrt.
Gleichzeitig war mir wichtig, dass ich weiterhin den Poppele darstellen kann. Diese Rolle spiele ich seit 17 Jahren und sie liegt mir einfach sehr am Herzen. Hier wurden wir uns schnell einig. In den Tagen danach habe ich mich dann mit Stephan Glunk zusammengesetzt. Wir haben ausführlich über die Rolle gesprochen und mir wurde klar: Das ist eine Aufgabe, die ich schaffen will und die man schaffen kann. Vor allem zusammen mit einem tollen Ratsteam und einer so starken Zunft im Rücken.

Wochenblatt: Auf was können sich denn die Mitglieder mit Ihnen als Zunftmeister freuen?

Heckel: Mir ist es wichtig, dass wir unsere Fastnachtstradition bewahren, aber auch behutsam weiterentwickeln. Es gibt Werte und Bräuche, an denen wir mit Überzeugung festhalten. Gleichzeitig lebt Fastnacht auch davon, sich mit der Zeit zu bewegen, in kleinen Schritten, aber mit offenem Blick.
Ein weiterer zentraler Punkt ist für mich die Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere unsere Präsenz in den sozialen Medien. Hier sind wir mit super engagierten Räten gut aufgestellt, um auch die jüngere Generation besser zu erreichen.
Besonders am Herzen liegt mir der Kontakt zu Kindern und Jugendlichen. In der vergangenen Fasnet war ich in fast 30 Schulen, Kindergärten und Altersheimen unterwegs. Und ganz ehrlich: Wenn man in die strahlenden Augen der kleinen und großen Menschen schaut, egal, woher diese stammen, dann spürt man, wie wertvoll und verbindend diese Tradition ist. Solche Momente zeigen, warum es sich lohnt, für die Fastnacht zu brennen.

Wochenblatt: Wie geht ihr in Zukunft mit den vielen Generationen in der Zunft um?

Heckel: Unsere Zunft lebt vom Miteinander der Generationen und das ist auch für die Zukunft ganz entscheidend. In allen Gruppen und Funktionen haben wir sowohl erfahrene Mitglieder als auch ganz viele junge Menschen. Aktuell zählen wir rund 150 Kinder und Jugendliche in unseren Reihen, das ist ein riesiges Potenzial für den Erhalt unseres närrischen Brauchtums.
Wichtig ist, dass es Raum für Austausch gibt. Dass die jungen Närrinnen und Narren von den „alten Hasen“ lernen können und umgekehrt manchmal auch frischer Wind von den Jüngeren kommt. Hierfür haben wir erst zuletzt ein Patensystem entwickelt. Man nimmt sich an die Hand, wächst hinein und bleibt verbunden.
Genau das macht unsere Fastnacht aus. Es geht nicht nur um Kostüme und Umzüge, sondern um Gemeinschaft, um Weitergabe von Traditionen und darum, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Dieses generationsübergreifende Miteinander ist für mich eine der schönsten Seiten unserer Zunftarbeit.

Wochenblatt: Sie sind ja, in der Fastnacht als Poppele bekannt. Wie stellen Sie sich das vor, dass Sie das in der Doppelfunktion jetzt leisten wollen würden?

Heckel: Die Poppele-Rolle ist und bleibt für mich eine Herzenssache und ich freue mich, dass ich sie auch als Zunftmeister weiterhin ausüben darf. Natürlich bringt die Doppelfunktion neue Herausforderungen mit sich, aber wir haben bereits Lösungen entwickelt, um das gut zu organisieren.
Gerade bei Veranstaltungen wie der Martinisitzung werde ich, wie gewohnt, als Poppele hinter der Gruft stehen und entsprechend auftreten. Für die organisatorischen Teile davor oder parallel kann ich mich voll auf mein Ratsteam verlassen.
Es wird an manchen Stellen vielleicht etwas anders ablaufen, aber wir sind überzeugt, dass wir damit sogar neue Impulse setzen können. Wichtig ist: Die Magie der Figur bleibt erhalten und gleichzeitig wird die Zunftführung dadurch nicht beeinträchtigt. Es überschneiden sich ohnehin nur wenige Termine direkt und für die, wo es doch mal eng wird, haben wir gute Lösungen parat.

Wochenblatt: Wie lange wollen Sie das noch ungefähr machen, bis dann mal ein Nachfolger gefunden ist?

Heckel: Ursprünglich hatte ich mir unabhängig vom Zunftmeisteramt vorgenommen, die Rolle des Poppele vielleicht noch fünf Jahre auszuüben. Aber ehrlich gesagt: Das lässt sich heute schwer festlegen.
Mir macht die Figur nach wie vor großen Spaß. Als ich meine Tochter gefragt habe, ob ich das Amt als Zunftmeister übernehmen soll, kam von ihr nur ein Satz: „Aber eins ist klar: Du bleibst der Poppele!“ und das sagt eigentlich alles.
Solange es die Zeit und die Doppelfunktion erlauben und die Begeisterung in der Familie und in der Zunft da ist, mache ich das mit Freude weiter. Und wenn irgendwann der Moment kommt, an dem ein Nachfolger übernehmen soll, werden wir das rechtzeitig und in guter Abstimmung angehen.

Wochenblatt: Wer könnte es denn machen, wenn Sie es nicht mehr sind?

Heckel: Im Rat machen wir uns natürlich laufend Gedanken über mögliche Nachfolger, nicht nur für meine Rolle, sondern generell für zentrale Aufgaben innerhalb der Zunft. Es ist uns wichtig, Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen und vorausschauend zu planen.
Es kann immer etwas Unvorhergesehenes passieren, deshalb ist es umso wichtiger, Strukturen zu schaffen, in denen man sich gegenseitig auffängt. Und dazu gehört auch, die nächste Generation aufzubauen und früh einzubinden.
Wir haben einige vielversprechende Personen im Blick, die bereits engagiert mitarbeiten. Wenn der richtige Zeitpunkt kommt, werden wir das im Team besprechen und mit der nötigen Ruhe und Weitsicht eine gute Lösung finden.

Wochenblatt: Wie groß ist denn da bei Ihnen jetzt auch aufgrund der Doppelfunktion jetzt die Vorfreude auf die nächste Fasnet?

Heckel: Die Vorfreude auf die kommende Fasnet ist riesig. Ganz besonders, weil wir endlich wieder in die Scheffelhalle zurückkehren. Ich war nun schon öfter in der neuen Scheffelhalle, das weckt unzählige Erinnerungen. Ich denke da sofort an meine eigenen Kindertage und an die vielen unvergesslichen Fastnachten in der alten Scheffelhalle. Und jetzt, durch meine neue Rolle als Zunftmeister, habe ich die Möglichkeit, nicht nur als Poppele Teil davon zu sein, sondern auch aktiv mitzugestalten, wie wir diese besondere Atmosphäre wieder zum Leben erwecken.
Aber die Vorfreude richtet sich nicht nur auf die Poppele-Zunft, sondern auf die gesamte Singener Fasnet. Wir haben hier eine großartige Vielfalt an Zünften, Gruppen und Vereinen, die alle mit Herzblut und Kreativität dabei sind. Dieses gemeinsame närrische Miteinander macht die Singener Fasnet aus. Wenn wir bald alle wieder dort sind, wo wir hingehören, dann weiß man: Es wird eine ganz besondere Fastnacht. Wir haben den „Stall der Ställe“ zurück und das gibt uns ganz viel Rückenwind.